Abschied von Doğan Akhanlı (Oktober/November 2021)
Hier der Nachruf von recherche international e.V., Berichte und Fotos von der Trauerfeier sowie Hinweise auf Auführungen seines Hauptwerks „Madonnas letzter Traum“ im Theater im Bauturm in Köln im Jahr 2022.
Wir trauern um Doğan Akhanlı, der am 31. Oktober 2021 nach kurzer, aber unbesiegbarer Krankheit verstorben ist.
Mit Doğan haben wir nicht nur einen engen Freund und langjährigen Mitarbeiter von recherche international verloren, sondern auch einen unermüdlichen und unersetzlichen Mitstreiter für einen kritischen Umgang mit der Geschichte, nicht nur mit der türkischen, sondern auch mit der deutschen und dem Holocaust.
Als politisch engagierter Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist musste Doğan die Türkei nach Kerkerhaft und Folter schon 1991 verlassen. Seitdem lebte er die meiste Zeit in Köln im Exil. Aber selbst Jahrzehnte später sah sich Doğan der Willkür des Erdoğan-Regimes ausgesetzt. Denn er thematisierte in seinen Romanen Tabus der türkischen Geschichte wie den Völkermord an den Armenier*innen. Deshalb wurde Doğan 2010, als er seinen kranken Vater im Osten der Türkei besuchen wollte, schon am Flughafen in Istanbul verhaftet. Und 2017 landete er während eines Urlaubs im spanischen Granada aufgrund eines von der Türkei bei Interpol lancierten internationalen Fahndungaufrufs in Madrid in Abschiebehaft. Dank breiter, internationaler Solidaritätskampagnen kam er in beiden Fällen wieder frei und 2020 präsentierte das Kölner Schauspielhaus eine Theateradaption von Doğans Bericht über seine „Verhaftung in Granada“.
Seit der Gründung von recherche international e.V. im Jahr 1999 unterstützte Doğan das Ziel des Vereins, die verdrängte Kolonialgeschichte des Zweiten Weltkriegs aufzuarbeiten. In den letzten Jahren realisierte Doğan Akhanlı als fester Mitarbeiter von recherche international e.V. weitere eigene interkulturelle Projekte zur Erinnerung an die Geschichte(n) von Flucht, Exil, Verfolgung und Völkermord.
Anlässlich von 75 Jahren Kriegsende lud recherche international im September 2020 zu einer letzten gemeinsamen Diskussionsveranstaltung mit Doğan Akhanlı „zur Bedeutung eines kritischen Geschichtsbewusstseins in der Migrationsgesellschaft“. Die Veranstaltung, an der auch die Autorin Corry Guttstadt teilnahm, fand im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln statt und trug den Titel DIE TÜRKEI, DIE JUDEN UND DER HOLOCAUST. Doğan erläuterte dabei den historischen Hintergrund seines Romans „Madonnas letzter Traum“. Darin beschreibt er das Schicksal jüdischer Flüchtlinge, deren Schiff „Struma“ 1942 im Schwarzen Meer versenkt wurde, nachdem die Türkei ihm die Landung verwehrt hatte. (Fotos von dieser Veranstaltung finden sich hier.)
Auf Anregung von recherche international e.V. präsentierte das Kölner Theater im Bauturm im September 2021 eine Bühnenfassung dieses Romans. (Infos zu weiteren Vorstellungen finden sich hier)
Doğan konnte an der Theaterpremiere seines literarischen Hauptwerks „Madonnas letzter Traum“ schon nicht mehr persönlich teilnehmen. Aber er wird für alle, die ihn kannten, präsent bleiben, bei jeder weiteren Aufführung seiner Theaterstücke, beim Lesen seiner Romane und wann immer es um die kritische Aufarbeitung von verdrängter und vergessener Geschichte geht. Denn dabei wird Doğan für uns stets ein ermutigendes Vorbild bleiben.
Hier die Todesanzeige, die recherche international e.V. mit weiteren Initiativen und Institutionen, in denen Doğan Akhanlı aktiv war, im Kölner Stadt-Anzeiger veröffentlicht hat.
Fotos von der Trauerfeier für Doǧan Akhanlı am 18.11.2021 im Bürgerzentrum Alte Feuerwache in Köln –
mit Eva Schaaf (Begrüßung und Verabschiedung), Erkan Akhanlı (Doǧans Bruder), Önder Erdem (Übersetzer), Osman Okkan (KulturForum TürkeiDeutschland), Selami Gürel (politischer Weggefährte Doǧans), Albrecht Kieser (recherche international) und den Musiker*innen Turan Vurgun (Ud), Tayfun Guttstadt (Ney), Mehmet Akbaș (Gesang ), Ahmed Tabar (Piano), Nare Karoyan (Piano) und Yașar Çoban (Akkordeon).
Die Trauerfeier fand im großen Saal des Bürgerzentrums statt und wurde per Video ins Restaurant, auf den Hof und per Live-Stream auch per Internet in alle Welt übertragen.
(Fotos: Herby Sachs)
Hier das Programm der Trauerfeier.