Besuch von GesamtschülerInnen in der Ausstellung

Erfahrungsbericht des Lehrers Konrad Klesse über den Besuch der Ausstellung im Kölner NS-Dokumentationszentrum (EL-DE-Haus) mit drei Kursen (Sozialwissenschaft) der Gesamtschule Köln-Holweise. (Aus: EL-DE-Info 27/2010.)

Neues Wissen und neue Sichtweisen für Schülerinnen und Schüler
Drei Kurse (Sozialwissenschaften) der Gesamtschule Köln-Holweide besuchten die NS-DOK-Ausstellung «Die Dritte. Welt im Zweiten Weltkrieg». 
Ein Lehrerprotokoll von Konrad Klesse, Vorstandsmitglied des Vereins EL-DE-Haus, der sich für kritische Anmerkungen bei Barbara Kirschbaum, pädagogische Leiterin des NS-DOK, bedankt.


 
Vorbemerkung
Auf gut einer Seite (wie gewünscht) einen einigermaßen informativen und interessanten Bericht zu verfassen, ist nicht leicht. Als bekannt wird vorausgesetzt:

– das sehr anspruchsvolle und ambitionierte Konzept

- das ausführliche Begleit- und Filmprogramm

– die Würdigung in den Medien.

Lehrervorbereitung

 
Besonders die detaillierte und fundierte Unterrichtseinheit war eine sehr große Hilfe für die Vorbereitung und Durchführung. Ohne sie kann man sich guten Unterricht und einen Museumsbesuch gar nicht vorstellen. 
Für die Arbeit in meinen drei Jahrgangskursen (12. Klasse) der Sozialwissenschaften war vereinbart, Afrika unter politsch-geografisch-sozio-ökonomischen Gesichtspunkten zu behandeln. Dabei wurden Kenntnisse vermittelt unter anderem zu

- Geschichte des Kolonialismus (Überblick)

– Entkolonialisierung

- zur Situation von Ländern: unter anderem Ruanda, Äthiopien, Angola und Ghana

- deutscher Kolonialismus (anhand einer ausgezeichneten 3-teiligen ZDF-Serie).


 
Zum Ausstellungsbesuch

Zur Vorbereitung in der Schule
Für mich war es neu und erstaunlich, dass so viele SchülerInnen noch nie im EL-DE-Haus gewesen sind. So sollte und musste vor dem Ausstellungsbesuch folgendes behandelt werden:

– die Geschichte, Rolle und Arbeit des NS-DOK

- das Ziel der Ausstellung (anhand des großen Plakats bzw. der Prospekte sowie eines Artikels im «Kölner Stadt-Anzeiger»)

- Kennenlernen und Nutzen der Unterrichtsmaterialien mit Unterstützung der Internet-Präsentation sowie einiger ausgedruckter Materialien.


 
Besuch der Ausstellung vor den Herbstferien
Für die Durchführung hatte die pädagogische Leiterin des NS-DOK, Barbara Kirschbaum, Überlegungen, Leitideen, Impulse und Vorschläge für die arbeitsteilige Gruppenarbeit erarbeitet. 
 
Die Ausstellung liefert eine Fülle von Informationen, mithilfe deren Betrachtung vor allem drei Aspekte deutlich werden sollten: 
1. Sensibilisieren für die – leider immer noch übliche – eurozentristische Sichtweise. 
2. Sensibilisieren für den Fakt, dass Geschichte nicht zwangsläufig die Wirklichkeit abbildet, sondern interpretiert.
3. Deutlich machen, dass die ehemaligen Kolonial-Länder Verantwortung für Ausbeutung und Rassismus haben. 
 
Das zu erreichen, untersuchten wir zunächst eine repräsentative Auswahl von deutschen Schulbüchern daraufhin, wie groß die «Welt» im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg dargestellt wird: Sie reicht nur bis zu den Mittelmeer-Anrainerstaaten. Die Ausstellung beginnt mit einer Weltkarte, die die kolonialen Einfluss-Sphären vor dem Zweiten Weltkrieg zeigt. Es handelt sich um die Peters-Projektion, die die einzelnen Länder entsprechend ihren realen Größenverhältnissen abbildet und auf der z. B. Europa um einiges kleiner ausfällt als auf den bei uns üblichen Darstellungen. Hier wurde deutlich gemacht, dass es in dem Zweiten Weltkrieg um eine Neu-Aufteilung der Machtsphären ging, und dass diesbezüglich schon diverse Abkommen einzelner Mächte geschlossen worden waren.
 
Die Material- und Informationsfülle der Ausstellung lässt sich in der zeitlichen Begrenzung auf 75 Minuten am besten arbeitsteilig bewältigen. Die Schülerinnen und Schüler hatten sich im Vorfeld schon entschieden, welchen Kontinent sie gerne näher betrachten wollten. Die Jugendlichen entdeckten die Exponate selbstständig an Hand von Aufgaben-Karten, wobei auch die Hörstationen mit den Zeitzeugen-Interviews eine wesentliche Rolle spielten. (Sie können im Rahmen einer klassischen Führung ja leider nicht eingesetzt werden). Nach einer Viertelstunde kam die Gruppe wieder zusammen, und die einzelnen «Experten» für die jeweiligen Kontinente stellten ihre Ergebnisse den Anderen vor. In einem anschließenden gemeinsamen Gespräch wurden noch einmal die wesentlichen Erkenntnisse herausgearbeitet: Rassismus und Ausbeutung, Zwangsprostitution und Zerstörung von Lebensraum. Es wurde sehr schnell deutlich, dass die Auswirkungen dieses Krieges noch heute viele Menschen auf der Welt massiv betreffen und welche Verantwortung die Ex-Kolonialmächte für Armut und Unterentwicklung weiter Teile der Erde tragen. 
 
Wir stellten fest, wie wenig wir von all dem wussten. Und was wissen wir heute von den Dingen, die in Afrika, Ozeanien, Asien, Lateinamerika 
passieren? Wer wählt aus, welche Informationen uns in Nachrichten und Presse geliefert werden? Und wie können wir unser Spektrum erweitern? Wir überlegten gemeinsam, dass man auch mal Nachrichten auf Sendern wie BBC oder arte sehen könne, dass es Zeitschriften gibt wie z. B. «New African», die man im Hauptbahnhof kaufen kann. Und wir griffen abschließend den Hinweis auf, der auch am Ende der Ausstellung so eindrücklich gezeigt wird: Man kann einfach seine Nachbarn fragen.
 

Fazit

Es war erfreulich zu erleben, mit welchem Interesse, welcher Neugier die Mehrzahl der SchülerInnen ihre Arbeitsaufträge erledigten und in der gemeinsamen Auswertungsphase präsentierten. Sie waren dann schließlich selbst erstaunt über ihr neues Wissen, nahmen eine neue Sichtweise ein statt der tradierten eurozentrischen: die Sicht von Unterdrückten, «Vergessenen», Benachteiligten, denen in der Ausstellung eine Stimme gegeben wurde. Besonders deutlich wurde das an der Infotafel über die massenhaften Vergewaltigungen von –überwiegend koreanischen – Frauen durch japanische Soldaten. 
Insgesamt genoss die Gruppe diese Art des Lernens im NS-DOK: die freundliche Atmosphäre und didaktische Kompetenz von Barbara Kirschbaum – und ich selbst die bewährte Zusammenarbeit mit ihr (wie schon bei Lehrerfortbildungen im NS-DOK)

Weiterführung
«Baobab Culture Troupe»: Junge Künstler aus Ghana präsentieren Tanz und Performances mit traditioneller Musik

Im Zusammenhang mit der Ausstellung wurden diese Künstler auch nach Köln eingeladen, u.a. in unsere Gesamtschule Köln-Holweide. Vor über 600 SchülerInnen waren ihre Auftritte ein großer Erfolg, das Forum tobte und applaudierte begeistert: Afrika mal anders erleben – Lebensfreude pur.


 
Die vergessenen Befreier: Eindruckvolles Hiphop-Tanztheater in Erinnerung an die französischen Kolonialsoldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg

Im Altenberger Hof (Schulveranstaltung am 4. Oktober): Diesen absoluten Höhepunkt des Begleitprogramms konnten meine drei Kurse wegen bevorstehender Klausuren leider nicht genießen. Das machte ich dann – leider ohne sie. 
Konrad Klesse

 
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